Jeder verbindet mit dem Begriff Faulheit andere Verhaltensweisen. Für mich bedeutet faul sein, ohne Plan durch den Tag leben. Mich treiben lassen. Keine Ziele haben, keine Termine, keine Vorhaben, keine Aufgaben, welche von mir erledigt werden wollen. In den Tag hinein leben. Nur die grundlegenden Bedürfnisse nach Essen, Trinken, Schlafen erfüllen. Und dazwischen einfach das tun, wonach mir gerade der Sinn steht.
Ich schreibe diesen Artikel im Urlaub. Wir sind auf einem Campingplatz mit dem Wohnmobil. Hier im Urlaub fällt es mir überhaupt nicht schwer, faul zu sein. Aufstehen, wenn ich ausgeschlafen habe. In der Sonne sitzen. Unsere Campingnachbarn beobachten. Essen. Kaffee trinken. Lesen. Schreiben. Schlafen. Niemand möchte etwas von mir. Mein Kopf kommt zur Ruhe. Ich fühle mich ausgeglichen und gelassen. Zeit spielt nur eine Nebenrolle. Leider gelingt mir dieses Faul sein zu Hause in meinem alltäglichen Trott nur sehr selten beziehungsweise stellt sich meistens nicht dieses Gefühl der Ausgeglichenheit und Zufriedenheit ein. Woran liegt das, habe ich mich gefragt? Der Grund dafür liegt darin, dass ich zu Hause nicht „richtig“ faul bin. Deswegen hier meine Tipps, wie das Faul sein gelingt und positive Effekte auf dein Wohlbefinden haben kann.
1. Sei planlos.
Was mir am eindrücklichsten im Urlaub aufgefallen ist, dass mir das faul sein so richtig gut tut, wenn ich für den Tag absolut nichts geplant habe. Natürlich habe ich auch im Urlaubsalltag ein kleines Mindestmaß an Verpflichtungen: Essen zubereiten, körperliche Hygiene, im Durchschnitt zweimal täglich abwaschen. Aber zwischen diesen Tätigkeiten lagen unverplante Zeiträume. Keine Ausflüge, keine Fragen der Kinder, ob wir später noch Romè spielen würden, keine Gedanken, dass ich im Urlaub wieder mehr schreiben möchte. Ich folgte einfach meinen Bedürfnissen, welche sich von alleine meldeten. Wenn ich keine Lust hatte, meinen Kopf anzustrengen, saß ich in der Sonne und schaute durch die Gegend. Wenn dies mir zu langweilig wurde, las ich. Wenn mir das über war, setzte ich mich wieder in die Sonne. Wenn dann kreative Gedanken auftauchten, schaltete ich meinen Laptop an und schrieb drauf los. Alles durfte passieren, aber nichts musste. Es gab einfach kein „Ich muss…“.
Um zu Hause mit gutem Gewissen faul sein zu können, verbanne ich alle „Ich muss noch…“ aus meinem Kopf. Ich lasse meine To-do-Liste, welche normalerweise gut sichtbar in der Küche liegt, in der Schublade verschwinden und nehme mir rein gar nichts vor. Selbstverständlich kommen immer wieder die Gedanken an irgendwelche Aufgaben, doch die lasse ich an mir vorbeiziehen, wie die Wolken am Himmel. Im 4. Absatz zeige ich dir noch mehr Techniken, wie du deine „Mussturbationen“ in deinem Kopf ausschalten kannst.
2. Vergiss die Zeit.
Im Zuge dieser Planlosigkeit verlor ab dem dritten Urlaubstag die Zeit ihre Bedeutung. Bin ich an den ersten Tagen noch vor um sieben aufgestanden, mit dem Gedanken, um so früher ich aufstehe desto mehr habe ich von meinem Urlaubstag, schlief ich mit fortschreitender Urlaubszeit morgens immer länger. Gegessen wurde auch nicht mehr nach der Uhr, sondern so, wie sich ein Hungergefühl bemerkbar machte.
3. Sage „Nein“ zu den Wünschen der Anderen.
Nicht nur Kinder tragen permanent Wünsche an uns heran, auch andere Familienmitglieder und Freunde. Manchmal passiert es, dass man sich vorgenommen hat, einen faulen Tag einzulegen und sich sogar so richtig darauf freut. Und dann kommt irgendjemand daher und bittet uns, etwas für ihn zu tun. In diesem Fall kann man demjenigen ruhig sagen: „Du, ich helfe dir wirklich sehr gern. Jedoch habe ich mir für heute vorgenommen, ausschließlich Zeit mit mir selbst zu verbringen. Gerne bin ich morgen/zu einem anderen Zeitpunkt wieder mit Rat und Tat für dich.“ Meistens können Bittsteller mit der Wahrheit besser umgehen als wenn sie das Gefühl haben, dass man Ausreden benutzt. Sollte dies nicht der Fall sein und derjenige ärgerlich reagieren, dann kann man seine Wut auch einfach bei ihm lassen. Denn du bist nicht dafür verantwortlich, dass es dem anderen an nichts fehlt und es ihm gut geht. Für die eigenen Gefühle ist jeder selbst verantwortlich.
4. Bringe deine inneren Antreiber zum Schweigen.
Oftmals sind es gar nicht unsere Mitmenschen, welche uns Schuldgefühle bezüglich unserer Faulheit machen, sondern wir selbst sind unsere härtesten Kritiker. Viele haben im Laufe ihres Lebens gelernt, dass Fleißige gelobt werden und Faule abgelehnt. Fast alle Zitate, welche ich im www über Faulheit gefunden habe, zielen auf das Negative daran ab. Es scheint in unserer Gesellschaft eine nicht erstrebenswerte Eigenschaft zu sein. Diese Meinungen von Außen übernehmen wir bei wiederholter Darbietung als die eigene. Sie geht uns in Fleisch und Blut über und wir hinterfragen die Richtigkeit dieser Wertung nicht mehr. Sie wird sogar zu unserer eigenen inneren Stimme, die uns permanent dazu antreibt, dies oder jenes noch zu erledigen, uns zu beeilen, nichts auf den nächsten Tag aufzuschieben. Es ist nicht leicht, diese internalisierten Überzeugungen zu verändern oder wenigstens für ein paar Stunden auszublenden.
Mir hilft dabei meistens, dass ich mich frage, ob irgendjemand extreme Not leiden würde, weil ich heute oder für eine gewisse Zeit x faul bin. Meist lautet die Antwort nein und mein schlechtes Gewissen lässt nach.
Auch hilft mir, dass ich mir immer wieder klar mache, dass die Überzeugung, dass ich immer fleißig sein muss, nicht meine eigene Wahrheit ist, sondern mir irgendwann einmal durch mein Umfeld beigebracht wurde. Und da ich ja ein unabhängigkeitsliebender Mensch bin und mir nur ungern von anderen sagen lasse, was ich zu tun und zu denken habe, kann ich mich unter diesem Gesichtspunkt relativ einfach davon distanzieren.
Ein weiterer Griff in die Trickkiste ist, das Wort faul durch Krafttanken oder entspannen zu ersetzen. Die letzteren beiden Wörter haben eine positive Bedeutung und lassen sich eher in unser leistungsorientiertes Denken integrieren und akzeptieren als das Wort Faulheit.
Und noch etwas hilft mir dabei, schuldgefühlsfrei faul zu sein: Akzeptanz. Egal, welche Kritik meine innere Stimme anbringt, ich „höre“ ihr zu und erwidere gedanklich: „Ich habe dich gehört und jetzt mache ich nichts.“ Zugegeben, es dauert schon eine Weile und erfordert wiederholte Übung, bis diese Methode funktioniert, aber es wirkt.
5. Gehe bewusst langsam durch den Tag.
Ähnlich wie bei dem Aspekt, dass die Zeit an Bedeutung verliert, gilt das auch für die Geschwindigkeit, in der wir unsere Tätigkeiten verrichten. Wem es sehr schwer fällt, mal so richtig faul zu sein, könnte anstatt dessen alles, was er tut, bedächtig langsam ausführen. Auch dies bringt ein Gefühl der Entschleunigung mit sich.
6. Sei achtsam, bei allem was du tust.
Sobald wir unsere Handlungen langsam ausführen, kann es passieren, dass unsere Gedanken immer wieder abschweifen. Entweder in die Vergangenheit oder in die Zukunft. Um dem entgegen zu wirken, tue ich soviel wie möglich achtsam. Das heißt, ich beschreibe gedanklich genau, was ich sehe, höre, rieche, fühle. Somit bleibe ich mit meiner vollen Aufmerksamkeit bei meinem aktuellen Verhalten.
7. Gönn dir regelmäßig einen Tapetenwechsel.
Zugegeben, es gibt Phasen im Leben, da ist das faul sein schwerer als harte körperliche Arbeit. Wenn ich aber trotzdem in mir das Bedürfnis nach Faulheit verspüre, dann hilft oft nur ein Tapetenwechsel. Raus aus dem Alltag, raus aus der gewohnten Umgebung. Im Moment probieren wir das (Urlaubs-)Leben im Wohnmobil aus und ich muss sagen, es gefällt mir sehr gut. Grundsätzlich habe ich das gleiche zu tun wie zu Hause auch. Betten machen, Essen vorbereiten, Abwaschen, einkaufen, Körperhygiene. Da allerdings ein Wohnmobil extrem eingeschränkte räumliche Kapazitäten hat, leben wir dort sehr minimalistisch. Dadurch gibt es einfach viel weniger Aufgaben mit viel weniger Zeitaufwand. Hier haben wir keinen Garten und keine Haustiere. Es bleibt viel mehr Zeit zum faul sein übrig.
Und nun wünsche ich dir viel Spaß bei der Umsetzung dieser Tipps. Lass mir gerne deine Meinung zum faul sein da und wie es dir gelingt, auch mal nichts zu tun!
Herzliche Grüße,
Wenke Kroschinsky
Psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie
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