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  • wenkekroschinsky

Von der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, der Traurigkeit und der Akzeptanz der Unveränderbarkeit

In der Verhaltenstherapie stehen die aktuellen psychischen Beschwerden im Mittelpunkt und sollen mit Hilfe von ausgewählten Interventionen verändert werden. Erstrebenswert ist eine Verbesserung des Wohlbefindens. Um das zu erreichen, liegt der Fokus auf die Veränderung des eigenen Verhaltens, des Denkens und auch auf die Veränderung äußerer, ungünstiger Faktoren. Gelingt dies, stellt sich Zufriedenheit sowohl beim Patienten als auch beim Therapeuten ein. Gelingt es nicht, fühlen wir uns ohnmächtig, hilflos, ausgeliefert.


Getragen wird der Ansatz der Verhaltenstherapie von der Überzeugung, dass wir wirksam auf unsere Lebensumstände Einfluss nehmen können. Dass wir in der Lage sind, Dinge zu verändern, im Außen und auch im Innen. Doch wieviel Einfluss können wir wirklich nehmen? Wieviel Selbstwirksamkeit besitzen wir? Wie groß ist unsere Macht? Der Glaube daran setzt Hoffnung frei, dass unser Leben besser wird, irgendwann in der Zukunft. Der Glaube daran befähigt uns, ins Handeln zu kommen und nur durch Handeln werden Veränderungen erschaffen. Doch immer wieder stoßen wir an Grenzen: wir bemühen uns und erreichen doch nicht die gewünschten Veränderungen. Wir strengen uns unsäglich an und erreichen gefühlt nichts. Wir sehen andere Menschen mit einem beneidenswerten Leben und sehnen uns danach, es ihnen gleich tun zu können. Wir analysieren, reflektieren, planen, setzen um und scheitern. Wir resignieren, sind traurig, vielleicht auch wütend und versuchen es erneut. Und scheitern wieder. Doch Aufgeben ist keine Option, so sind wir nicht gestrickt: immer weiter, immer besser, noch mehr anstrengen. Wir drehen uns im Kreis, im Hamsterrad, und kommen nicht vom Fleck. Tagein, tagaus. Wir wissen nicht, was falsch läuft. Wissen nicht, was wir falsch machen.


Wir glauben, uns wehren zu müssen: gegen den Chef, gegen den Partner, gegen den übergriffigen Freund, gegen die Rahmenbedingungen, gegen die Politik, gegen das System. Wir glauben, wenn wir uns nicht wehren, liefern wir uns aus, geben wir auf, lassen alles mit uns machen, werden ausgenutzt. Erzählt uns dann jemand, wir sollten es mal mit Akzeptanz versuchen, annehmen, was und wie es gerade ist, dann regt sich Widerstand in uns: Wie soll ich denn in Frieden leben, wenn im Außen Dinge passieren, die mich ärgern, die mir Angst machen, die mich wütend werden lassen? Wie soll ich Zufriedenheit finden, wenn ich die Augen vor den Missständen verschließe? Das fühlt sich nach Resignation an, das fühlt sich falsch an. Wie soll ich unter diesen Umständen weiter machen?


Dinge so sein zu lassen, wie sie sind, kann Angst hervorrufen. Angst, sehenden Auges in das eigene Unglück zu rennen. Und wird nicht auch immer wieder gesagt, dass wir es selbst sind, die aktiv ihre eigene Zukunft gestalten können? Und wenn wir jetzt annehmen und akzeptieren sollen, dann sollen wir passiv sein? Abwarten, was passiert? Abwarten, wo uns das Leben hin spült? Sollen wir uns zum Spielball der äußeren Umstände machen? Nein, das ist es nicht, was wir wollen. Wir wollen kontrollieren, wir wollen aktiv mitbestimmen, selbst bestimmen über uns. Das fühlt sich richtig an, der Herr im eigenen Haus zu sein. Wir wollen uns nicht mit dem begnügen, was gerade ist. Das liegt in unserer Natur. Und so kämpfen wir weiter und merken nicht, dass wir manchmal gegen Windmühlen kämpfen. Wir überschätzen unsere Macht und unseren Einfluss.


Lassen wir zu, dass es wahr sein könnte, dass wir weniger Einfluss haben, als wir glauben, breitet sich Traurigkeit aus. Doch in der Traurigkeit schwingt die Akzeptanz mit: Wir haben akzeptiert, dass etwas nicht so ist, wie wir es gerne hätten und wir trauern darüber. Wir nehmen mit der Traurigkeit Abschied von etwas, von unseren Vorstellungen, von unseren Träumen, unseren Wünschen. Abschied nehmen bedeutet, zu akzeptieren, dass es nicht ist und dies mit der Traurigkeit auszudrücken. Ein schweres Gefühl. Und doch schwingt Erleichterung darin mit. Erleichterung, dass wir nicht mehr kämpfen müssen, uns nicht mehr wehren müssen. Erleichterung, dass wir etwas sein lassen können.


Nach jeder Phase der Traurigkeit und des Abschiednehmens, kommt eine Phase der Neuorientierung. Doch bis es soweit ist, hängen wir in der Traurigkeit fest. Wir befinden uns in einem Zustand, wo es weder vor noch zurück geht: Das Alte ist nicht richtig abgeschlossen und das Neue ist noch nicht in Sicht.


Was können wir in solchen Phasen tun, außer uns in Akzeptanz und Annehmen üben? Außer zu trauern und uns zu verabschieden? Dazu fällt mir ein Text von Elena Mikhalkova ein:


„Meine Großmutter hat mir mal diesen Tipp gegeben:

Wenn die Zeiten schwierig sind, gehe in kleinen Schritten weiter.

Tu, was du tun musst, aber tu es langsam.

Denk nicht an die Zukunft oder was morgen passieren kann.

Reinige das Geschirr.

Wisch den Staub ab.

Schreibe einen Brief.

Koche Suppe.

Siehst du das?

Du gehst vorwärts, Schritt für Schritt.

Mach einen Schritt und dann Pause.

Ruh dich aus.

Schätze dich selbst.

Mach den nächsten Schritt.

Dann noch einen.

Du wirst es kaum merken, aber deine Schritte werden länger werden.

Bis es soweit ist, wo du wieder an die Zukunft denken kannst, ohne zu weinen.“


Herzliche Grüße

Wenke Kroschinsky

Psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie


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