Entspannt gesund - Wie Entspannung Körper und Gehirn heilt
- wenkekroschinsky
- vor 3 Tagen
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Sich zu entspannen, ist einer der Basisfaktoren für psychische und körperliche Gesundheit. Sind wir nicht in der Lage, unserem Organismus Erholung zu gönnen, werden wir unweigerlich krank. Wenn ich mit Patienten und Kursteilnehmern spreche, höre ich selten, dass sie sich regelmäßig und bewusst ausreichende Erholungsphasen einräumen. „Dafür habe ich keine Zeit.“, „Das dauert mir zu lange, da werde ich ganz unruhig.“ Oder „Ich entspanne mich doch beim Fernsehen.“ Sind häufig die Reaktionen. Alle drei Aussagen sind falsch. Das habe ich bereits in einem anderen Blogartikel diskutiert. (https://www.wenkekroschinsky.de/post/mythen-ueber-entspannung) Heute möchte ich herausfinden, was es eigentlich wirklich heißt, sich zu entspannen. Wie sind die biologischen Vorgänge während einer Entspannung? Was spüren wir körperlich und emotional? Was macht unser Gehirn während eines entspannten Zeitraums? Wie genau wirkt sich das positiv auf unsere Gesundheit aus? Und was genau führt uns in solche entspannten Zustände und wie oft und wie lange müssen wir das machen?
Was passiert in unserem Körper, wenn wir uns entspannen?
Du kannst dir deinen Körper als ein großes Orchester vorstellen: Jeder Muskel, jedes Organ, jede Drüse spielt sein eigenes Instrument. Den Takt gibt das autonome Nervensystem an. Es ist der unsichtbare Dirigent, der entscheidet, ob gerade Paukenschläge oder sanfte Streicher dran sind. Dieses Nervensystem hat zwei Hauptakteure: den Sympathikus und den Parasympathikus. Der eine ist der Adrenalinjunkie, der andere der Zen-Meister.
1. Der Sympathikus ist die Spannung und das Tempo: das Herz trommelt schnell, die Muskeln spannen sich wie die Saiten der Geigen, die Lungen sind voll mit Luft wie die der Bläser, die Pupillen weiten sich wie Scheinwerfer auf der Bühne. Er spielt bei Gefahr, Stress oder Leistung. Er spielt laut, schnell und mit maximaler Energie. Die feinen Töne haben Pause. Verdauung, die Immunabwehr und Schmerzen treten in den Hintergrund. Der Sympathikus macht Show. Er ist das Drama und kennt keine Pause. Auf Dauer leiden die Musiker, die Instrumente und auch die Zuhörer. Und deshalb brauchen wir den Gegenspieler, der aus dem Drama Harmonie macht….
2. Der Parasympathikus ist der langsame Teil des Musikstücks, er ist die Regeneration, die Erholung und die Entspannung. Sein Stil ist leise, fließend, fast meditativ. Wenn er übernimmt, wird das Tempo gedrosselt, die Lungen der Bläser atmen tief durch, die Muskeln lassen los, die Trommelschläge des Herzens werden sanft und ruhig. Die Verdauung beginnt ihr Solo, das Immunsystem stimmt sich ein, und die Zellen reparieren sich im Hintergrund. Ausgeglichenheit und Balance entstehen und zeigen ihre Wirkung auf die Gemüter der Beteiligten.
Beide Systeme kommunizieren mit dem Körper über Hormone, welche entweder ausgeschüttet oder abgebaut werden. Sind wir entspannt, dann bauen sich die Stresshormone ab – damit kann sich der Herzschlag beruhigen, die Atmung verlangsamen, die Muskeln locker lassen. Außerdem werden im Entspannungsmodus die Wohlfühlhormone ausgeschüttet, die uns zufrieden und geborgen fühlen lassen.
Während im Modus des Stresses der Fokus auf die Körperfunktionen liegt, die Leistung erbringen, können in der Entspannung die Verdauung und das Immunsystem arbeiten. Viele Menschen reagieren auf chronischen Stress mit Reizdarm oder Magenbeschwerden. Das liegt daran, das der Körper in diesem Modus der Verdauung weniger Wichtigkeit einräumt.
Im entspannten Zustand räumt der Körper quasi auf und es liegt an uns, wie viel Zeit wir ihm dafür zur Verfügung stellen.
Was spüren wir körperlich und emotional in der Entspannung?
Wenn wir uns Entspannung gönnen, dann atmet unser Körper wortwörtlich auf und tief durch. Unsere Seele lässt sich in die Hängematte gleiten, die Gedanken werden ruhiger, die Emotionen sind angenehm.
🧍♂️ Körperliche Reaktionen während der Entspannung:
Die Muskeln entspannen sich, die Schultern sinken, der Kiefer wird locker, die Stirn wird glatt
Die Atmung geht tiefer in den Bauchraum und die Atemfrequenz sinkt
Das Herz schlägt langsamer
Es kommt zu einem Gefühl sowohl der Schwere als auch Leichtigkeit
🤩 Bezogen auf unsere Gefühle spüren wir:
Geborgenheit
Wohlbefinden
Sicherheit
Weniger Gedanken
Kreativität
Was passiert in unserem Gehirn während einer Entspannung?
Kommen wir in einen entspannten Zustand, dann wechselt unser Gehirn die Frequenz: von den schnellen Beta-Wellen geht es über zu den ruhigen Alpha- und Theta-Wellen. Diese Frequenzen können wir im EEG messen. Das Gehirn ist also nicht „aus“ wenn wir entspannen, sondern es wechselt in einen anderen Modus, welcher sich „Default Mode Network“ nennt.
Das Default Mode Network (=DMN) ist quasi der Pausenraum: hier wird nicht für Leistung geackert, sondern hier ist Zeit zum inneren Aufräumen. Es wird reflektiert, analysiert, sich selbst wahrgenommen, die Zukunft geplant, Erinnerungen gespeichert und Emotionen verarbeitet. Auch kreative Einfälle sind in diesem Pausenraum möglich. Diese Aktivitäten sind überaus wichtig für unser Gehirn. Würden wir nie in diesen Zustand kommen, könnten wir uns Gelerntes nicht merken, würden wir aus Fehlern nicht lernen, könnten wir keinen Urlaub planen, würden wir unsere Wut und Traurigkeit nicht verarbeiten können.
In diesen Zustand kommt unser Gehirn allerdings nur, wenn es möglichst wenig Reize von Außen zu verarbeiten hat, also wenn wir quasi „nichts tun“ (im Übrigen: Fernsehen bietet unserem Gehirn massig an Reizen und es kommt nicht in den DMN-Modus!)
In Studien konnte gezeigt werden, dass Menschen, die ihrem Gehirn regelmäßig diese Pausen gönnen, emotional stabiler, kreativer und widerstandsfähiger sind.
Wie wirkt sich Entspannung auf unsere Gesundheit aus?
Die meisten von uns wissen, dass wir entspannte Zustände brauchen, um gesund zu bleiben oder zu werden. Doch was genau hat unsere Gesundheit davon, wenn wir uns regelmäßig entspannen?
💓 Entspannung bewahrt uns vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zum Beispiel Herzinfarkt, denn durch regelmäßige Entspannungsübungen sinkt unsere Herzrate und unser Blutdruck
🤧 In Ruhephasen hat unser Körper Zeit, schädliche Bakterien, Viren oder Zellen auszuschalten. Damit beugen wir Erkältungen vor und auch schwere entzündliche Erkrankungen wir Krebs.
🚽 Unsere Verdauung benötigt viel Aufmerksamkeit, um gut zu funktionieren. Im entspannten Zustand verbessert sich die Durchblutung unserer Verdauungsorgane, damit verbessert sich die Nährstoffaufnahme und das sorgt wiederum für eine gute Versorgung und Gesunderhaltung aller Organe.
💪 Viele Menschen leiden unter anhaltenden Nacken- und Rückenschmerzen. Das liebt zum einen an zu wenig Bewegung, zum anderen auch an unserem Stresslevel. Wenn wir uns entspannen, können die Muskeln locker lassen, denn sie werden nicht mehr für Kampf oder Flucht gebraucht. Damit lindern sich die Schmerzen.
😡 Gestresste Menschen sind häufig reizbar, haben eine kurze Zündschnur. Regelmäßige Entspannungsübungen helfen, die Emotionen zu regulieren und steigert somit ein Gefühl der Gelassenheit.
😴 Wenn wir uns regelmäßig im Alltag Entspannungsmomente gönnen, dann verbessert sich unser Schlaf. Wir schlafen tiefer, wachen seltener auf, schlafen besser ein und insgesamt ist unser Schlaf erholsamer. Das führt dazu, dass wir tagsüber fitter und leistungsfähiger sind.
🥊 Sind wir grundsätzlich gelassener, dann sind wir auch eher in der Lage, mit Herausforderungen klar zu kommen. Wir werden gegenüber den Belastungen des Lebens widerstandsfähiger.
🧠 Regelmäßige Entspannung fördert die Konzentration, das Gedächtnis, die Problemlösefähigkeit und die Kreativität
Wie du siehst, Entspannung ist kein Luxus, sondern notwendig, um ein gesundes und lebenswertes Leben zu führen.
Was bringt uns in die Entspannung?
Kurze Bemerkung: Netflix, endloses scrollen durch Shorts, shoppen sind keine nachhaltigen Entspannungsmethoden.
Es gibt in der Psychotherapie zwei klassische Entspannungsverfahren: das Autogene Training und die Progressive Muskelentspannung. Bei ersterem arbeitet man mit sogenannten Autosuggestionen = Selbstbefehle. Darüber trainieren wir den Körper zum Beispiel warm zu werden, wenn wir es ihm sagen. Die Progressive Muskelentspannung ist dagegen etwas aktiver, denn hier werden nacheinander die Muskeln des Körpers bewusst angespannt und wieder bewusst losgelassen.
Weiterhin sind Atemübungen wunderbare Zur-Ruhe-Kommen-Mittel. Ein paar Mal tief in den Bauch einatmen und so lange wie möglich wieder ausatmen, beruhigt das Herz und damit den gesamten Körper.
Achtsamkeitsübungen befähigen uns dazu, nicht alles zu bewerten, sondern mit einer gesunden Distanz zu beobachten und darüber Gelassenheit zu entwickeln.
Spazieren gehen im Grünen bringt uns gleich doppelt in die Ruhe: Bewegung baut Stresshormone ab. Natur lässt unseren Kopf zur Ruhe und ins Default Mode Network kommen.
Sich mit Menschen umgeben, die man mag und die einen selbst mögen, fördert das Wohlbefinden und co-reguliert unsere Emotionen.
Wie oft und wie lange muss ich mich entspannen?
Wie baust du deine Muskeln auf? Durch Training? Was glaubst du, wie du deine Entspannungsfähigkeit aufbauen kannst? Richtig, durch Training. Hierbei gilt: lieber täglich kurz als einmal pro Woche lang. Es reicht, wenn du dir täglich 10 bis 15 Minuten bewusste Entspannung gönnst, um dir und deiner Gesundheit was Gutes zu tun. Die Betonung liegt hier auf BEWUSST. Das heißt, du machst die Entspannungsübung absichtsvoll, mit all deiner Aufmerksamkeit, ohne Ablenkung.
Auch mehrere bewusste Mini-Pausen von 3 Minuten, in denen du zum Beispiel eine Atemübung machst oder den Vögeln beim Zwitschern zuhörst oder einfach nur aus dem Fenster schaust, helfen dir, dich langfristig zu entspannen.
Entspannung ist also wie das Zähneputzen: Mindestens zweimal täglich und indiskutabel, ob es gemacht wird.
Mit der Zeit wird dein Nervensystem lernen „Ah, sie/er macht eine Entspannungspause, jetzt können wir vom Stressmodus in den Entspannungsmodus wechseln.“ Und es wird immer schneller und effektiver loslassen können.
Ich hoffe, der Artikel hat dir zeigen können, wie wichtig es ist, dass wir Entspannungsübungen in unseren Alltag einbauen.
Wenn du magst, nimm am dreiwöchigen Online-Entspannungstraining teil:
Schreib mir sehr gerne dein Feedback zu diesem Beitrag oder stell mir Fragen rund um die Psychologie: 015152204559.
Herzliche Grüße
Wenke Kroschinsky
Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie



Guten Morgen,
Ich habe mit Entspannung und Co-Regulation große Problene:
Entspannungsversuche scheitern, weil in dem Moment meine Angstsysteme reagieren und die Ansoannung steigt statt zu fallen. (Ria)
Der Versuch von wohlmeinenden Menschen, mich z.B. durch Körperkontakt (Umarmung, gutes Zureden) zu Co-Regulieren löst ebenfalls extreme Angst aus, die bei mir erst Stunden nach dem Verlassen der Situation (notfalls durch Kontaktabbruch) wieder langsam zurück geht und mich für 1 bis 2 Tage in einer diffusen Spannung zurücklässt, in der ich große Schwierigkeiten habe, in normalen Leben einigermaßen zu funktionieren. (Soziale Angst)
Auch PME, Achtsamkeit oder Meditationsversuchr lösen dieses Phänomen bei mir aus.
Damit komme ich nicht weiter