Zeit ist genug da – Wie du deine Zeitwahrnehmung neu gestalten kannst
- wenkekroschinsky
- 1. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
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Es gab eine Zeit in meinem Leben, wo ich mir ständig gesagt habe „Ich habe keine Zeit.“, „Ich muss mich beeilen.“, „Bevor ich mich ausruhe, muss ich noch das erledigen.“. Ich fühlte mich gehetzt, gestresst, genervt, gereizt, überfordert. Ich habe mein Leben damals nicht wirklich geliebt und mich selbst manchmal auch nicht. Ich war schlecht gelaunt und das haben auch meine Kinder und mein Mann gemerkt. Ich hatte keine Lust und keine Kraft und keine Zeit, mit ihnen Zeit zu verbringen. Jede Veranstaltung im Kindergarten oder in der Schule hat mir meine Zeit geraubt und verschwendet. Ich war gefangen in meiner verzerrten Zeitwahrnehmung.
Solltest du das auch von dir kennen, dann kann ich dir versichern, du bist nicht allein damit. Viele Menschen haben das Gefühl, die Zeit rast und sie schaffen nie alles, was sie sich vorgenommen haben. Sie sind abends frustriert und kaputt und versuchen am nächsten Tag noch effektiver den Haushalt zu machen und zeitsparender die Wege zu erledigen. Das nächste Zeitmanagementtool wird ausprobiert, doch unterm Strich bleibt das Ergebnis das gleiche: Die Zeit reicht nicht aus.
Das Problem ist nicht unsere mangelnde Organisation unserer Aufgaben und unserer Zeit, das Problem ist unsere Einstellung gegenüber der Zeit. Zeitgefühl ist die subjektive Einschätzung von Zeiträumen. Es geht hierbei also nicht darum, was die Uhr anzeigt, sondern wie wir empfinden, wie lange etwas dauert und wie schnell (oder langsam) die Zeit vergeht. Die gemessene Zeit stimmt häufig nicht mit unserem Zeitgefühl überein. Manchmal empfinden wir das Vergehen der Zeit als langsam schleichend, manchmal als rasend schnell.
„Die Länge einer Minute ist abhängig davon, auf welcher Seite der Toilettentür man steht.“
Zitat von Unbekannt
Die Wissenschaft hinter unserem Gefühl für die Zeit
Das Zeitgefühl ist ein vielschichtiger Prozess aus psychologischen und biologischen Komponenten. Wir Menschen haben kein direktes Sinnesorgan für Zeit, welches im Außen die vergangene Zeit wahrnehmen kann. Vielmehr laufen unterschiedliche Prozesse im Gehirn ab, welche das Verstreichen von Zeit verarbeiten und bewerten.
Die Forscher gehen mittlerweile davon aus, dass wir ein Zeitbewusstsein haben, welches sich unter anderem mit körperlichen Zuständen (Herzschlag, Blutdruck) verknüpft und darüber ein Gefühl für die verstrichene Zeit entstehen lässt.
Doch nicht nur unsere körperlichen Funktionen geben unserem Gehirn ein Gefühl für die Zeit, sondern auch, wie sehr wir uns auf die Zeit konzentrieren. Warten wir zum Beispiel auf jemanden und schauen ständig auf die Uhr, erscheint die Zeit langsam zu vergehen. Sind wir allerdings beschäftigt, dann vergeht die Zeit gefühlt wie im Flug.
Auch unsere Emotionen beeinflussen unser Zeitempfinden. Grob gesagt lassen unangenehme Emotionen wie Angst, Traurigkeit, Wut, Langeweile die Zeit gefühlt langsamer vergehen. Wohingegen angenehme Emotionen wie Freude, Liebe, Überraschung die Zeit schneller vergehen lassen.
Ein weiterer Faktor, der bestimmt, wie wir Zeit wahrnehmen, ist das, was wir von unseren Eltern darüber gelernt haben. Wie unsere Eltern mit ihrer Zeit umgegangen sind, beeinflusst stark, wie wir mit unserer Zeit umgehen.
Psychische Erkrankungen beeinflussen ebenfalls unsere Zeitwahrnehmung. Betroffene von Depressionen erleben oft die Zeit als zäh und langsam dahinfließend.
Doch mal fernab von irgendwelchen Erkrankungen empfinden viele Menschen, dass die Zeit zu schnell vergeht und dass ihnen irgendwie immer Zeit fehlt. In ihren Köpfen sind immer wieder Gedanken wie „Ich habe nicht genug Zeit.“, „Ich schaffe nicht alles.“, „Ich muss mich beeilen.“. Diese Gedanken lösen auf der körperlichen Ebene eine Stressreaktion aus: unser Herzschlag und unser Blutdruck steigen. Daraufhin bewegen wir uns schneller, um die Aufgaben in kürzerer Zeit zu erledigen. Dies wiederum verursacht Stressgefühle und beeinträchtigt das Wohlbefinden und die Lebensqualität.
Kein neues Zeitmanagementtool – sondern eine veränderte Zeitwahrnehmung
Die meisten Menschen versuchen bei dem Erleben eines Zeitmangels ihre Zeit und ihre Aufgaben noch effektiver zu organisieren und probieren dafür vielerlei Zeitmanagementmethoden aus. Manche davon funktionieren, viele oft nicht. Der Grund ist, dass diese Methoden im Außen ansetzen, das heißt, es werden Strukturen, Plänen, Prioritäten der Aufgaben verändert, aber es wird nicht geschaut, welche Einstellung zur und Überzeugung von Zeit die betreffende Person hat.
Bei der veränderten Zeitwahrnehmung geht es nicht darum, noch effizienter zu werden, sondern innerlich geordneter und freier.
Stell dir vor, du wüsstest, wie du die gefühlte Zeit schneller, langsamer oder erfüllter machen könntest, wie würde sich dein Leben verändern?
Eine Übung, damit die Zeit langsamer vergeht:
Lass uns einmal ausprobieren, ob wir die Zeit verlangsamen können. Suche dir dabei eine Haushaltsaktivität, wo du das Gefühl hast, da rast mir meine Zeit weg. Vielleicht ist es das Fenster putzen, oder das Abwaschen. Normalerweise konzentrieren wir uns nicht sehr stark auf diese Tätigkeiten, sondern sind mit unseren Gedanken irgendwo anders. Probiere einmal aus, wie sich die Zeit während des Tuns anfühlt, wenn du mit deinem vollen Fokus bei der Tätigkeit bleibst. Schaue zu Beginn der Aktivität auf die Uhr und merke dir die Zeit. Beobachte genau, was deine Hände tun. Beschreibe, was du siehst. Höre, welche Geräusche du empfängst. Spüre auf deiner Haut zum Beispiel das warme Wasser. Erzähle dir in Gedanken, was du riechst. Wenn du fertig damit bist, schätze, wieviel Zeit vergangen ist und überprüfe dann deine Schätzung an der Uhr.
Eine andere Übung dazu:
Stelle deinen Handytimer auf fünf Minuten.
Setze dich irgendwo hin, wo du ungestört bist und schließe die Augen.
Konzentriere dich auf deine Atmung.
Zähle deine Atemzüge: Einatmen, Ausatmen…eins; Einatmen, Ausatmen…zwei und so weiter.
Wenn deine Gedanken abschweifen, dann kehre zum Zählen deiner Atemzüge zurück.
Wenn dein Handy klingelt, frag dich, ob die 5 Minuten sich länger oder kürzer angefühlt haben.
Eine Übung, damit die Zeit schneller vergeht:
Such dir eine Wartezeit aus, zum Beispiel beim Arzt oder an der Bushaltestelle. Anstatt nun ständig auf die Uhr zu schauen, schaust du einmal auf die Uhr, merkst dir die Zeit und dann denkst du dir in deinem Kopf eine Geschichte aus oder, wenn dir das schwer fällt schwelge in positive Erinnerungen: der letzte Urlaub oder das letzte Wochenende, etwas Schönes aus deiner Kindheit oder Jugend oder das letzte Treffen mit deiner besten Freundin. Male dir das Ereignis so detailreich wie möglich aus: Wer ist dabei? Wer hat was für Kleidung an? Welche Jahreszeit ist? Welche Tageszeit? Wo seid ihr? Was macht ihr? Über was unterhaltet ihr euch? Was seht, hört, riecht, schmeckt ihr? Wenn du damit fertig bist, schätzt du wieder, wieviel Zeit vergangen sein könnte und überprüfst das auf der Uhr.
Eine weitere Übung:
Mach zwei Dinge gleichzeitig, zum Beispiel eine Einkaufsliste schreiben und Wäsche sortieren. Schau vorher wieder auf die Uhr. Mach beides parallel und so zügig wie es dir möglich ist. Versuche beides so gründlich wie möglich zu machen, so dass dir keine Fehler passieren. Streng dich richtig an. Wenn du fertig bist, frage dich wieder zuerst, was du denkst, wie viel Zeit vergangen ist und schaue dann erst auf die Uhr.
Eine Übung, mit der du deine Zeit erfüllter erlebst:
Zuerst überlege dir etwas, was dir wirklich wichtig ist in deinem Leben: deine Familie? Sport? Stille? Kreativität? Partner? Freunde? Natur? Oder was ganz anderes?
Plane eine halbe Stunde, in der du dich nur um diese eine wichtige Sache kümmerst. Sei mit all deiner Leidenschaft, deiner Aufmerksamkeit, deiner Hingabe in dieser halben Stunde bei dieser einen wichtigen Sache. Stell dir vor, das wäre das allerletzte Mal in deinem Leben, dass du dies tun könntest.
Frag dich anschließend: Wie hast du diese halbe Stunde erlebt? Wie hast du dich gefühlt? Was hat dir diese halbe Stunde gebracht?
Erzähl mir gerne in den Kommentaren, wie es dir mit den Übungen ergangen ist! Da bin ich echt neugierig drauf!
Und wenn du nun Lust bekommen hast, dich noch intensiver mit deiner persönlichen Zeitwahrnehmung zu beschäftigen, dann sei in meinem neuen Online-Kurs „Zeit neu erleben" herzlich willkommen!
Herzliche Grüße
Wenke Kroschinsky
Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie




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