Depressionen zeigen sich bei den meisten Menschen mit Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, der Verlust der Lebensfreude (=Anhedonie) und sozialer Rückzug. Ein Modell, welches die Entstehung und auch die Aufrechterhaltung dieser Symptome zu erklären versucht, ist das Verstärker-Verlust-Modell von Lewinsohn aus dem Jahr 1974.
Was genau besagt das Verstärker-Verlust-Modell?
Bevor wir uns das Modell etwas genauer anschauen, möchte ich dir gerne den Begriff „Verstärker“ etwas näher erklären. Verstärker sind all die Dinge in unserer Umwelt, welche in uns ein angenehmes Gefühl erzeugen. Positive Verstärker sind quasi angenehme Konsequenzen oder Belohnungen, welche auf ein bestimmtes Verhalten folgen. Das kann ein gesprochenes Wort oder ein Lächeln, etwas materielles wie Geld oder ein Geschenk sein. Ein positiver Verstärker kann aber auch die Zuwendung und die Aufmerksamkeit von einer anderen Person sein. Positive Verstärker haben alle eines gemeinsam: sie sorgen dafür, dass wir das Verhalten öfter zeigen, bei dem der Verstärker vorkommt. Wertschätzt mein Partner meine Kochfähigkeiten, dann erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass ich öfter für ihn koche. Lächeln Personen zurück, wenn ich sie anlächele, dann werde ich meine Lächelhäufigkeit erhöhen.
Lewinsohn beobachtete genau das: wir bekommen auf bestimmtes Verhalten eine positive Resonanz. Natürlicherweise zeigen wir das Verhalten öfter, was positiv verstärkt wurde. Wird aber unser Verhalten nicht belohnt durch Anerkennung oder ähnliches, dann reduzieren wir diese Verhaltensweisen.
Weiterhin untersuchte Lewinsohn das Verhalten von depressiven Patienten. Er stellte fest, dass depressive Personen insgesamt weniger Handlungen zeigten als gesunde, weil sie sich häufig zurückziehen und unter Antriebslosigkeit leiden und damit auch weniger angenehme Konsequenzen aus ihrer Umwelt erhielten. In seiner Studie fand er, dass die Stärke der Depression umso größer ist, je weniger positive Verstärker die Personen hatten.
Aus diesen Befunden leitete Lewinsohn ab, dass depressive Personen aufgrund ihrer geringeren Verhaltensrate weniger positive Verstärker aus ihrer Umwelt erhalten. Die Abnahme dieser positiven Rückmeldungen führt weiterhin wieder dazu, dass die Betroffenen noch weniger Verhalten zeigen und folglich noch weniger positive Resonanz bekommen. Mal ein Beispiel dazu: je seltener ich mich mit Freunden treffe, desto weniger Anerkennung und Wertschätzung erhalte ich. Tu ich dies recht häufig, verlernen wir, dass ein Treffen mit Freunden etwas angenehmes sein kann und wir ziehen uns noch mehr zurück. Dadurch, dass wir noch öfter allein zu Hause bleiben, entgeht uns aber noch mehr Zuwendung. Ein Teufelskreis entsteht.
Weiterhin stellte sich Lewinsohn die Frage, in welche Richtung die Verbesserung der Stimmung und die Aktivitätenrate miteinander zusammenhingen: die Teilnahme an bestimmten Aktivitäten verbessert die Stimmung? Oder trägt eine bessere Stimmung dazu bei, an mehr Aktivitäten teilzunehmen? Es wirkt beides wechselseitig. Das heißt, wenn eine traurige Person sich überwindet einen lustigen Film zu schauen, wird das höchstwahrscheinlich ihre Stimmung verbessern. Wenn unsere Grundstimmung eher positiv ist, fällt es uns leichter, etwas zu unternehmen. Hier entsteht auch ein Teufelskreis, allerdings ein positiver.
Was genau lässt sich aus diesem Modell für die alltägliche Praxis ableiten?
Ableitend aus dem Verstärker-Verlust-Modell und dem positiven Teufelskreis wurde die Methode der Verhaltensaktivierung entwickelt. Hierbei wird mit den betroffenen Personen in kleinen Schritten erarbeitet, welche Aktivitäten ihnen guttun. Dafür sollen Verhaltensprotokolle geführt werden, um herauszufinden, bei welchen Tätigkeiten die Stimmung ein klein bißchen besser wird. Anschließend wählen die Patienten die Aktivitäten nach Umsetzbarkeit und Vorliebe aus und integrieren sie mittels Wochenplänen Stück für Stück in ihren Alltag.
Bei der Umsetzung sei laut Forscher weiterhin darauf zu achten, dass verstärkende Aktivitäten immer wieder wiederholt werden müssen, damit sie einen positiven Effekt zeigen. Das heißt, wir sollten es uns zur Gewohnheit machen, am besten täglich, etwas zu tun, was für uns angenehm ist.
Außerdem wirkt es sich günstig auf die Stimmung aus, wenn wir über ein breites Repertoir von angenehmen Unternehmungsmöglichkeiten verfügen. Also eine einzige schöne Handlung allein wird nicht ausreichen, um unsere Gefühle immer wieder auf die positive Seite zu bringen.
Im Laufe einer ambulanten Verhaltenstherapie lässt sich mit dieser Methode der Antrieb und die Stimmung der Betroffenen steigern, die depressive Symptomatik geht zurück.
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Zum Thema "Depressionen" kannst du diese beiden Artikel lesen:
Herzliche Grüße
Wenke Kroschinksy
M.Sc. Psychologin und Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie
Quellen:
Lewinsohn, P. M., & Libet, J. (1972). Pleasant events, activity schedules, and depressions. Journal of Abnormal Psychology. Vol. 79. No. 3 . p. 291-295
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